top of page

Skript Künstlergespräch:

 

Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher,

liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,

 

herzlich willkommen zu unserer neuen Ausstellung mit dem wunderbaren Titel „SUMMER IN THE CITY“. Mit dieser Schau möchten wir gemeinsam mit Ihnen nicht nur das Leben feiern, welches nach den Jahren der Pandemie in die Straßen dieser Welt, so auch in Augsburg, zurückgekehrt ist, sondern auch unseren alltäglichen, urbanen Lifestyle widerspiegeln, möglicherweise auch hinterfragen. In den Räumlichkeiten der Galerie werden sowohl klein- als auch großformatige Werke des neorealistischen Malers Werner Fohrer aus seinen beeindruckenden Serien „Streetview“, „Artificial Life“, „Streetlife“ und „Woman“ präsentiert, die uns dafür eine optimale und spannende Grundlage bieten. Vielen Dank lieber Werner, dass du heute aus Baden-Württemberg zu uns gereist bist und uns nun während des Künstlergesprächs einige Fragen beantwortest.

Zu Beginn möchte ich einige Zeilen eines vermutlich uns allen sehr bekannten amerikanischen Songs zitieren:

 

„Hot town, summer in the city

Back of my neck gettin’ dirt and gritty

Been down, isn’t it a pitty?

Doesn’t seem to be a shadow in the city

All around people looking half-dead

Kept walking down the sidewalk, other than a matchhead

But at night it’s a different world

Go out and find a girl

Come on, come on and dance all night

Despite the heat it’s gonna be alright”

 

Dieser kultige Song mit dem gleichnamigen Titel „Summer In The City“ von der US-amerikanischen Rockband „The Lovin‘ Spoonful“ aus dem Jahre 1966 kam mir direkt bei der ersten Betrachtung der Werke von Werner Fohrer in den Sinn. Während der Song eigentlich davon handelt, wie eine Person in den heißen Sommernächten der Stadt auf der Suche nach einem Mädchen ist und am liebsten nur noch Tanzen möchte, ist die Beobachtung und die daraus schlussfolgernde Aussage des Sängers über das Leben in der Großstadt, insbesondere im Sommer, doch durchaus zutreffend.

Zahlreiche der hier ausgestellten Arbeiten weisen eine gewisse Gemeinsamkeit mit dem „besungenen“ Großstadtleben auf, aber zeigen auch die Ergebnisse langjähriger Arbeit eines aufmerksamen Beobachters, dem es dabei nicht nur rein um die Ästhetik geht.

In den Metropolen dieser Welt sind die Gebäude dicht an dicht gebaut und zahllose Menschen strömen - ja hetzen sogar - durch die aufgeheizten, betonierten und geteerten Straßen, während schattenspendendes und erfrischendes Grün hierbei Mangelware zu sein scheint. Ab und an lassen sich im bunten Treiben der Geschäftigen ruhigere Szenerien finden: Dekorierte Schaufenster, gemütliche Restaurants und trendige Cafés laden zum Verweilen, Energie tanken und konsumieren ein. Nach Einbruch der Dunkelheit wiederum scheint sich das städtische Erscheinungsbild noch einmal zu verändern: Helle Lichter und bunte Leuchtreklame üben eine faszinierende Anziehungskraft auf uns Menschen aus. So ist es nicht verwunderlich, dass die hier gezeigten zumeist großformatigen und sommerlichen Nacht- und Straßenszenen Begeisterung und Faszination bei uns hervorrufen. Wir werden buchstäblich in das großstädtische Getümmel hineingesogen und haben so als Konsument und Bestandteil der urbanen Welt die Möglichkeit, den Alltag auch einmal aus einem anderen Blickwinkel, quasi aus der Sicht einer 3. Person, zu betrachten.

 

Frage 1: Lieber Werner, was persönlich fasziniert dich an den Menschen und dem alltäglichen Stadtleben? Was ist die ursprüngliche Intention hinter deinen Werken?

Zunächst möchte ich kurz erwähnen, dass meine Arbeiten meist  in Serien unterteilt sind  wie auch die hier in der Ausstellung gezeigten Streetview- und Streetlife-Bilder.

Der überwiegende Teil in dieser Ausstellung sind Bilder aus meiner Streetlife-Serie.

Diese Serie ist nach einem Besuch in New York entstanden. Der Ausgangspunkt für die Bilder ist hauptsächlich auf Videoimpressionen zurückzuführen, die in den Avenues von New York entstanden sind und die ich zuhause weiter bearbeitet und ineinander transparent kopiert habe, so dass Videos entstanden sind, die unterschiedliche optische Wahrnehmungsebenen reflektieren und ineinandergreifen. Dadurch entsteht eine zusätzliche optische Irritation, bei der eine eindeutige Zuordnung zu der realen Situation nicht mehr gegeben erscheint.

Aus diesen bearbeiteten Videoimpressionen entnehme ich einzelne Bilder, die mir als Bildvorlagen für ein späteres Gemälde dienen.

Die optische Information, die sich daraus ergibt ist vergleichbar mit Schaufensterspiegelungen, die zum einen die Realität im Schaufenster zeigen und gleichzeitig die äußere Realität der Passanten bzw. Autos die vorbeifahren. Solche Bilder waren Teil meines Werks in einer Zeit der analogen Bearbeitung vor den späteren digitalen Möglichkeiten.

 

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche, unterschiedliche Serien, die sich vorrangig mit dem Menschen als Hauptmotiv beschäftigen, entstanden. Berühmte Rock-, Pop- und Filmstars wurden von dir im Stil des amerikanischen Fotorealismus porträtiert, Sportler wie Usain Bolt während des Sprintens dargestellt, hierbei mit Fokus auf die Schnelligkeit und Dynamik. Als ein Vertreter des Neorealismus zeigen deine aktuellen Werke nun allerdings nicht direkte Abbilder der Realität, sondern stellen durch deine malerische Bearbeitung, das Verwischen und Verfremden, eher eine subjektive Interpretation und Darstellung der Wirklichkeit, ja schon nahezu eine Entfremdung, dar.

Insbesondere in der Serie „Streetview“, die zahlreich in der Ausstellung vertreten ist, begegnen uns Personen, deren Gesichter und somit auch Mimik unkenntlich gemacht worden sind. In unserem Gespräch erzähltest du mir einmal, dass du neben eigenen Fotografien von Reisen hierbei ganz bewusst auf das Medium Internet als Hilfsmittel setzt. Das World-Wide-Web bietet dir von deinem Atelier in Plochingen aus mit Google Streetview eine Masse an Bildmaterial und somit auch Möglichkeiten das Geschehen überall auf dieser Welt zu beobachten und festzuhalten.

Frage 2: Warum werden die Gesichter anonymisiert? Geht es hierbei nur um Datenschutz?

Als ich mit der Streetview-Reihe begann war der Dienst von Google noch relativ neu und die Datenschutzfrage zumindest hier in Deutschland ein großes Thema. Ganze Häuser wurden digital unkenntlich gemacht. Die Gesichter der Passanten sind nicht mehr erkennbar und damit nicht identifizierbar. Das scheint zum einen eine gutgemeinte Absicht um den Schutz der Persönlichkeit zu wahren. Andererseits scheint diese Anonymisierung auch ein  Zeichen einer Entfremdung zu sein, die die digitalisierte Entwicklung mit sich bringt. Einerseits vermeintlicher Schutz einer Privatsphäre, andererseits aber auch Symbol der Distanzierung und Abschottung von realer Begegnung und Zeichen für den Mangel menschlichen Urvertrauens. Diese Sichtweise und Darstellung hat mich als Maler fasziniert, da sie einen Blick auf die Welt in einer digitalisierten transformierten Weise aufzeigt.

Ich finde, durch die Perspektive, den Kamerawinkel der Google-Streetview Aufnahmen, erhält man einen ganz eigenen und spannenden Eindruck des Geschehens. Während viele deiner Arbeiten eine Sogwirkung haben, wirken die Werke der „Streetview“ Serie eher entrückt, die dargestellten Menschen isoliert, sodass sie Freiraum für eigene Gedanken und Emotionen lassen. Die Szenen erhalten durch deinen Malstil etwas Symbolhaftes und Stellvertretendes. Gleichzeitig komme ich ins Grübeln. Wir begegnen in deinen Arbeiten immer wieder Personen, die sich vorrangig mit ihrem Smartphone beschäftigen - ein inzwischen alltägliches Bild in unserer Gesellschaft. Bei einem anderen Gespräch hast du mal gesagt: „Die Menschen begegnen sich zwar, sehen sich aber nicht“.

Frage 3: Geht es dir in diesen Arbeiten auch um das zwischenmenschliche Verhalten? Was möchtest du damit ausdrücken?

Diese Veränderungen, die die Digitalisierung in unsere Lebensgewohnheiten gebracht hat, ist vor allem auch in meinen Streetlife-Bildern spürbar.

Es geht mir darum die Schnelllebigkeit und den rasanten Wechsel von Wahrnehmung und optischen Eindrücken  festzuhalten und in malerischer Form umzusetzen. Hier sehe ich auch eine gewisse Parallele zu der Kunstrichtung  des „Futurismus“, die vor dem 1. Weltkrieg im  20.  Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebte.  

Es ist für mich sowas wie eine Metapher dafür, wie wir die täglichen Nachrichten aufnehmen, verarbeiten und in Abhängigkeiten uns begeben. Hier ist das Smartphone ein Symbol dafür, das uns inzwischen auf Schritt und Tritt begleitet.  Der Begriff der „Fakenews“, der in den letzten Jahren entstanden ist, wird eigentlich durch die fortschreitende Digitalisierung auch in den sozialen Medien beschleunigt. Die Frage steht im Raum, inwieweit wir uns  auf  Gesetzesmäßigkeiten und unsere Grundüberzeugungen oder das, was wir als „Wahrheit“ bezeichnen noch verlassen können?

im Juli 2021 kündigte Mark Zuckerberg an, sich mit seinem Unternehmen Facebook Inc. auf die Entwicklung eines Metaversums konzentrieren zu wollen. Es geht weiter, die Künstliche Intelligenz kommt in den Fokus, die selbständig Texte verfasst und Bilder generieren kann. Sogar die Entwickler dieser Programme selbst warnen davor, dass KI außer Kontrolle geraten könnte, nicht mehr beherrschbar bleibt und seine eigenen Wahrheiten in die Welt setzt.

Als Maler ist es für mich eine Herausforderung mich solchen Phänomenen im übertragenen Sinne malerisch anzunähern und sie in gewisser Weise in einer transformierten Form  mit den Mitteln der Malerei zu interpretieren.

 

Ein auffälliges, nahezu durchgängiges und meiner Meinung nach sehr wichtiges Merkmal deiner Arbeiten sind Spiegelungs- und Überlagerungseffekte. Es sind verschachtelte und übereinander gelagerte Motive mit transparenten Spiegelungen von Fensterscheiben und glänzenden Autokarosserien zu sehen, welche die metropolitane Finesse, die deinen Werken ohnehin schon innewohnt, meiner Ansicht nach verstärken. Des weiteren sind diese Ölbilder, mit Titeln wie „Artificial Life“ oder „Visions in Blue“, besonders vielschichtig, weil du uns durch diese Art der Darstellung verschiedene Wahrnehmungsebenen bietest. Du bildest so nicht nur rein die Realität ab, sondern verknüpfst und überlagerst quasi mehrere Realitäten übereinander, so dass sich Zeit und Raum zu verschieben scheinen.

Deine Malerei changiert hierbei zwischen ruhiger, identifizierbarer Darstellung und einer Auflösung der vorgegebenen Realitäten, sodass ein Spannungsfeld aus Realismus und Verfremdung entsteht. Mal haben wir einen gröberen Farbauftrag, dann wieder treten feinere Details hervor. Mal trägst du die Farbe deckend, dann wieder eher in lasierenden Schichten auf.

 

Frage 4: Wie gehst du denn beispielsweise bei einem Bild (Artificial Life) vor? Welche Techniken kommen zum Einsatz? (Acryl, Öl, Airbrush, Nass-in-Nass-Malerei?)

Da ich mich als „realistischer“ Maler sehe, der sowohl die äußere als auch die innere Verarbeitung der Realität interpretiert ohne in einen beliebigen „Surrealismus“ verfallen zu wollen, ist mir eine konkrete Darstellung von optischen Erscheinungsformen wichtig. Diese optischen Erscheinungsformen werden im Entwurfs- bzw. Entstehungsprozess digital am Computer erstellt. Hier sind alle Bildbearbeitungsmöglichkeiten denkbar. Hier sehe ich in der heutigen Zeit den Computer als unterstützendes Medium, ähnlich wie der Fotokünstler seine Kamera.

Die eigentliche Arbeit beginnt auf der leeren Leinwand. Ich habe im Laufe meines Malerlebens unterschiedliche Techniken angewendet. Die früheren Großporträts aber auch die Nachtbilder sind in Airbrushmalerei entstanden, wobei mit der Airbrush ein flächiger Auftrag bis zu feinen Linien möglich ist. Hier werden im Malprozess sehr viele dünne Farbschichten in teils deckendem, teils lasierendem Auftrag übereinander gearbeitet.

Meine großformatigen Landschaftsbilder der „Anonymous Place-Reihe“ z.B. sind mit schnelltrocknender Acrylfarbe und vielen sich überlagernden Pinselstrichen und Lasuren entstanden.

Aktuell male ich nur noch in Ölfarben. Auf der Leinwand entsteht eine Vorzeichnung der Konturen des bildnerischen Entwurfs, der auch für die weitere Bildentstehung bindend ist, d.h. es geschieht nichts „Zufälliges“. Hier wird die Farbe zuvor weitgehend  so angemischt wie sie in der Endwirkung auch erscheinen soll. Da die Ölfarbe längere Zeit vermalbar bleibt (Nass-in-Nass-Malerei) und nicht gleich antrocknet, lässt sie sich auch im Malprozess auf der Leinwand gut modulieren und mit dem Flachpinsel sehr gut mit anderen Farbmischungen ineinander malen, je nachdem  ob eine flächige Abgrenzung oder ein farblicher Übergang entstehen soll. Im späteren malerischen Prozess werden die Farbflächen durch weiteren Farbauftrag  intensiviert bzw. die helleren Bereiche und  Lichter herausgearbeitet.

 

 

Ich komme zum Schluss. Die ausgestellten Werke scheinen die Flut an alltäglichen Ereignissen und Eindrücken als flüchtige Momentaufnahmen festzuhalten und gleichzeitig auf etwas viel Wichtigeres zu verweisen: Unsere Wahrnehmung wird jeden Tag aufs Neue auf die Probe gestellt, zahlreiche Details gehen verloren, Momente werden ausgeblendet. Die Schönheit des Augenblicks – nahezu schon ein Mysterium vergangener, weniger digitaler und virtueller Zeiten – muss von uns neu entdeckt werden. So begeistern deine Werke durch Vitalität, Dynamik und integrative Kraft, zum anderen regen sie uns bewusst zum Nachdenken an, da du die schnelllebige Konsumgesellschaft und zunehmende Digitalisierung festhältst und uns vor Augen führst. Vielen Dank lieber Werner für die wunderbaren, anregenden Arbeiten und, dass du uns nun auch im Nachhinein noch für Fragen und Gespräche auch aus dem Publikum zur Verfügung stehst. Ihnen liebe Besucherinnen und Besucher wünsche ich nun viel Freude mit Ausstellung, eine gute Zeit und wenden Sie sich bei Fragen liebend gern an uns. Vielen Dank!

 

Maximilliane Umlauf

bottom of page